06.2010

NRW-Handwerk fordert Finanzmarktkrise mit intelligenter Ordnungspolitik zu bekämpfen

Auch fast zwei Jahre nach dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Debatte über neue Formen der Finanzmarktregulierung noch in vollem Gange. Angesichts der dramatischen Verschuldungssituation in Griechenland und anderen EURO-Ländern hat sich die Krise inzwischen zu einer Währungskrise ausgeweitet. Die Stabilitätskultur der früheren D-Mark, die die Geschäfts-bedingung für die Einführung des EURO war, steht auf dem Spiel.

Die eigentlichen Ursachen der Finanz- und Währungskrise müssen durch eine wirksame und ent-schlossene Regulierung angegangen werden. Aus Sicht von Handwerk und Mittelstand kommt es darauf an, auf den Finanzmärkten eine Rückbesinnung auf den unauflöslichen Zusammenhang von Eigentum, Haftung und Verantwortung herzustellen.

Finanzmarktbesteuerung mit Bedacht!

Die Finanzmarktakteure, die zur Krise beigetragen haben, müssen durch Besteuerung zur Finan-zierung der Rettungspakete herangezogen werden und einen merklichen Beitrag zur künftigen Krisenvorsorge aufbringen. Das nordrhein-westfälische Handwerk unterstützt daher die Bundesre-gierung in ihren Bemühungen, eine internationale Verständigung zur Finanzmarktbesteuerung auf Ebene der G 20, hilfsweise auch auf EU-Ebene, herbeizuführen.

Die geplante Einführung einer Bankenabgabe kommt aus Sicht des nordrhein-westfälischen Handwerks nicht in Betracht, da mit ihr gerade diejenigen Kreditinstitute und deren Kundenkredite belastet würden, die die Finanzkrise nicht verursacht haben. Wenn eine solche Bankenabgabe nicht zu verhindern ist, müssten zumindest Institute mit einer Bilanzsumme unter 50 Mrd. € durch eine Freibetragsregelung ausgenommen werden.

Auch eine Finanzaktivitätssteuer, die auf die Gewinne und Vergütungen von Banken und Finanz-instituten bezogen wäre, würde vor allem zu einer Belastung der Mittelstandsbanken führen und ist daher abzulehnen.

Mehr Argumente für sich hat dagegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die risiko-reiche Transaktionen auf den Finanzmärkten sowohl von Banken als auch von Versicherungen und Hedge Fonds erfasst. Da die in Frage kommenden Geschäfte sich derzeit auf wenige globale Finanzplätze konzentrieren, wäre darauf zu achten, dass die Steuer dem Sitzland des Kunden zukommt und sich auf Devisen, Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Rohstoffe und Derivate be-zieht.

Da die gewünschte Wirkung einer solchen Steuer nur bei ihrer internationalen Geltung zu erwarten und dies wenig wahrscheinlich ist, könnte eine kritische Diskussion darüber entstehen, die beste-hende Befreiung für das Kredit- und Wertpapiergeschäft von der allgemeinen Umsatzsteuer im Hinblick auf die genannten Geschäfte aufzuheben. Diese Befreiung ist nach der 1991 erfolgten Abschaffung der Börsenumsatzsteuer ordnungspolitisch ohnehin nicht zu rechtfertigen. Auch die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer könnte erwogen werden. Die heutige vollständige Um-satzsteuerbefreiung der genannten Finanzmarktgeschäfte kann keinen Bestand haben.

Haftung und Risikosicherung von Kapitalgesellschaften!

Das NRW-Handwerk spricht sich für einen höheren verpflichtenden Selbstbehalt des Verkäufers bei der Verbriefung und Weitergabe von Krediten und Finanzprodukten aus. Die Unterlegungs-pflichten für das Kreditgeschäft und das Kreditersatzgeschäft müssen angeglichen werden.

Die Eigenkapitalhinterlegungspflichten sollten mit zunehmender Größe oder zunehmendem Ver-flechtungsgrad einer Bank ansteigen und als Bremse gegen das Hineinwachsen in systemrelevan-te Betriebsgrößen oder Verflechtungen wirken. Als ultima ratio kommt auch eine Entflechtung von Banken in Betracht, damit eine Insolvenz ohne Schaden für das Gesamtsystem möglich wird.

Stärkung, nicht Entlastung von Verantwortung durch staatliche Aufsicht!

Die Finanzmarktaufsicht muss effizienter werden und sich auf die Einhaltung von klaren Ordnungs-regeln konzentrieren. Staatliche Aufsicht darf allerdings nicht von Verantwortung entlasten, indem Eigentümern wirtschaftliche Entscheidungen abgenommen und dadurch indirekt eine Haftung des Staates in Aussicht gestellt wird. Die zweigeteilte Aufsicht durch BAFin und Bundesbank hat sich nicht bewährt und sollte durch eine einheitliche Aufsicht ersetzt werden. Für neu strukturierte Fi-nanzanlageprodukte muss es innerhalb der neugestalteten Finanzmarktaufsicht einen Finanz-TÜV geben, der dem Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel entspricht.

Entmachtung von Rating-Agenturen!

Künftig muss, insbesondere durch Änderung der Solvabilitätsverordnung, dafür gesorgt werden, dass das Entstehen neuer Rating-Agenturen erleichtert wird und ein echter Leistungswettbewerb zwischen ihnen zustande kommt. Interessenkonflikte von Rating-Agenturen und ihre unzureichen-de Haftung bei Fehlprognosen müssen korrigiert werden. Die Selbstverantwortlichkeit der kredit-gebenden Banken für die Bonitätseinschätzungen ihrer Kreditnehmer muss ungeschmälert blei-ben. Aufsichtsbehörden dürfen sich nicht allein auf Rating-Urteile verlassen, sondern müssen auch andere Informationen zur Beurteilung heranziehen.

Langfristige Anreize in Finanzmarktinstitutionen!

Zur Finanzkrise haben Anreize beigetragen, die kurzfristiges Renditedenken einseitig belohnt ha-ben. Finanzmarktinstitutionen brauchen Bonussysteme, die Verantwortung auf lange Sicht stärken, z.B. durch Anlehnung der Boni an die langfristige Unternehmensentwicklung oder durch wirksame Haftungsvorschriften für Vorstände im Falle von wirtschaftlichen Fehlentscheidungen nach dem Beispiel der Novellierung des Aktiengesetzes aus dem Sommer 2009.

Stabile Geldpolitik!

Die übermäßige Geldmengenausdehnung hat zur Entstehung von Spekulationsblasen beigetra-gen. Die EZB muss auf einen strikten Kurs der Geldwertstabilität zurückfinden und muss sich von politischen Einflussnahmen unabhängig machen. Die Länder des EURO-Raums müssen zu einer Politik der Haushaltskonsolidierung zurückfinden. Zur Sicherung der Geldwertstabilität müssen die Vertragsgrundlagen für die gemeinsame Währung so reformiert werden, dass Verstöße gegen die Stabilitätsziele konsequent geahndet werden (z.B. durch Aussetzen von EU-Zuweisungen für Defi-zitsünder).

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